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Dienstag, 1. September 2015

Das „Heimweh“ der Truk-Insulaner nach ihren verbannten Kapuzinern

In dem großen Missionsgebiet der rheinisch-westfälischen Kapuzinerprovinz auf den ehemaligen deutschen Südsee-Inseln hatte man 1912 auch mit der Missionierung der Truk-Inselgruppe begonnen. Lange hatten dort die eingeborenen Insulaner auf die erbetenen Missionäre warten müssen. Als die Ersehnten endlich das Inselreich von Truk betraten, wurden sie mit großer Freude und Begeisterung von den braunen Kanaken [= Südsee-Insulaner; früher nicht abwertend] aufgenommen. Schon nach kurzer Tätigkeit konnten die Kapuziner einen recht erfreulichen Zudrang zum Christentum feststellen. Die Zahl der Taufen belief sich in wenigen Jahren auf zweitausend. Eine eifrige Katechumenenschar ließ auf weitere Erfolge hoffen.

Da brach unerwartet wie ein Gewitter der unheilvolle Weltkrieg über die junge Missionspflanzung herein und mit ihm die Besetzung der Inseln durch Japan. Anfangs durfte die Mission zwar ungestört weiterarbeiten, aber zu bald wurde ein Teil der Missionäre durch die japanischen „Eroberer“ gewaltsam aus ihrer segensreichen Wirksamkeit herausgerissen, angeblich aus „militärischen Gründen“. Die letzten Missionäre, P. Siegbert und P. Lorenz, denen es vergönnt war, bis zum Kriegsende unter ihren braunen Christen zu bleiben, mussten 1919 ebenfalls ihre liebgewonnene Herde verlassen.

Weinend und betrübten Herzens sahen die verlassenen Neuchristen dem Schiffe nach, das ihre treuen Seelenhirten für immer von dannen führte. Jetzt haben sie nichts mehr als den Trost ihres christlichen Glaubens und das Heimweh nach den Missionären.
Im Kapuzinerkloster zu Krefeld traf Anfang Juli 1921, also zwei Jahre nach der Ausweisung, ein Brief ein vom 25-jährigen Sohn des katholischen Oberhirten der Insel Toloas. Aus den schlichten Zeilen dieses Insulaners ersieht man deutlich, wie innig das Verhältnis zwischen den Kapuzinern und den braunen Trukbewohnern gewesen war.

Der Brief heißt in der Übersetzung:

„8. Mai 1921. Guten Tag, mein Vater P. Siegbert, von einem Deiner Söhne, der Dich liebt und Otto heißt.

Zunächst kann ich Dir von Deinen Christen auf Toloas berichten, dass sie seit Eurem Abschied bis auf den heutigen Tag treu ausgehalten haben. Aber ich möchte nichts anderes sagen, als dass ich voller Qual bin, weil ich Euch nicht mehr sehe. Ich bitte daher, lass Eure Photographien machen und sende mir dieselben her, damit ich Euer Antlitz wieder sehe und mein Herz wieder aufatme. Ich bin ganz elend vor Heimweh nach Euch, ich und Margareth (seine Frau) und Kamilla (seine Mutter) und Luzia (sein Töchterchen) und alle Deine Christen. Ich teile Dir mit, dass Kamillus (sein Vater) leider gestorben ist. Er ist gestorben am 8. Oktober. Darüber bin ich noch sehr in Trauer.

Mein Gruß auch an alle Patres, die in Truk gewesen sind und an alle Brüder. Wie geht es Euch? Was mich betrifft, so war ich gesund, all die Zeit; denn ich pflege zu Gott zu beten, dass ich gesund bleibe.

Unsere Christengemeinde hat sehr zugenommen; denn ich habe mir viele Mühe gegeben, die Heiden zu gewinnen. Jetzt hat sich der katholische Glaube sehr ausgebreitet auf Toloas. Bete doch für mich, dass ich gesund und am Leben bleibe, damit wir noch einmal zusammenkommen. Alle Tage nennt Luzia Deinen Namen. O könnte ich doch Euer Antlitz wiedersehen! Dann würde mein Herz aufatmen. O könnte doch mein Ohr ein Wort von Dir vernehmen, lieber P. Siegbert!

Ja wahrlich, ich bin voll Elend in meinem Herzen. Schicket doch Eure Photographien an mich, damit ich Euch vor Augen habe. Das ist der Brief von Tasol (Name seines Bezirkes).
Wir Christen haben alle geweint wegen deines Briefes, den die Patres (spanische Jesuiten) in der Kirche vorgelesen haben. Die Messe ist völlig gestört worden durch das Weinen.

An Weihnachten habe ich einige Heiden getauft und es bereiten sich gegenwärtig viele auf die Taufe vor. O könnte ich doch wieder Deiner Messe beiwohnen und Deine Predigt hören.
Ich schließe meine Rede in Liebe und unter Tränen, die aus meinem Herzen fließen immerdar.

Dein Otto. Lebe wohl!

Man kann sich denken, mit welcher freudiger Rührung die verbannten Missionäre diesen kindlich dankbaren Gruß ihrer verlassenen Schäflein aufnahmen. Gerne wären die Südseemissionäre, denen selbst ein schmerzliches Heimweh nach ihren braunen Christen im Herzen brannte, wieder hinausgefahren in die Südsee. Aber eine weltliche Macht litt es nicht mehr, dass deutsche Missionäre weiterhin auf den südlichen Eilanden das Gottesreich des Friedens und der Liebe ausbreiten.

(Aus: Seraphisches Weltapostolat des heiligen Franz von Assisi, 1926)